Sabine »Bine« Böcher
Sabine, »Bine« (mit nur einem »e«), Böcher, geboren 1948 in Siegen (DE), seit 1976 in Koppl. 1989 gründete sie die Bürgerliste Koppl, ab 1994 unter dem Namen KAUZ (Koppler Arbeitsgruppe für Umwelt und Zukunft) bis 2004. Zwischen 2004 und 2014 gab es mangels weiterer KandidatInnen keine Grünen in Koppl. Neustart 2014 als KAUZ/Die Grünen, Ende 2019 Zurücklegung des Mandats (Politpension). Sie hat die Bewegung der Grünen Gruppe in Koppl maßgeblich geprägt und durch ihre Bereitschaft für eine neuerliche Kandidatur 2014 dazu beigetragen, dass seither KAUZ/Die Grünen in der Gemeinde Koppl die zweitstärkste Fraktion stellt.
Kauz: Liebe Bine, nach über 30 Jahren KAUZ/Die Grünen und (mit Unterbrechung) 21 Jahre als Gemeindevertreterin ist jetzt Schluss. Wie geht’s dir damit?
Bine: Um ehrlich zu sein durchwachsen. Einerseits finde ich es gut, weil nun jüngere Menschen nachkommen und ich merke, dass ich »altersmilde« werde – und das ist auch nicht gut in der Gemeindepolitik. Andererseits persönlich geht es mir nicht so gut, weil ich die Befürchtung habe, dass jetzt niemand mehr auf mich hört. Ich bringe mich gerne ein und gebe meine Erfahrung weiter. Es ist so ein kleiner »Pensionsschock«. In unserer Gesellschaft werden alte Leute eher ausgemustert – oder wie in meinem Fall mustern sich aus – woanders wird ihre Erfahrung geschätzt und sie werden um ihre Meinung gefragt. Das wird mir abgehen.
Kauz: Keine Sorge, Bine, wir werden dich weiterhin sehr oft um deine Meinung fragen.
Bine: Keine Sorge, ich werde mich auch weiterhin sehr oft einmischen … (lacht).
Kauz: Was war der Anlass, warum du 1989 den KAUZ/Die Grünen gegründet hast?
Bine: Weil es in Koppl keine Grünen gab. Da war ein undurchsichtiges Raumordnungsprojekt im Koppler Ortszentrum – ein Gewerbebetrieb nahe des Ortskerns, noch dazu ohne geeignete Zufahrt. Es gab Gerüchte – die ÖVP hielt sich dazu bedeckt. Dann bin ich zu den anderen Parteien gegangen, die sind aber auch nicht in die Gänge gekommen. Vor der Wahl war dann die Frage, wen man denn in Koppl wählen kann. Für mich und andere gab es keine passende Auswahl. Deshalb wurde der KAUZ (damals noch als »Bürgerliste Koppl«) gegründet, mit einer doch für Koppler Verhältnisse sehr umfangreichen Liste. Wir sind dann auch mit zwei Mandaten gewählt worden. Die teils negativen Reaktionen überraschten mich dann aber doch. Es gab Feindseligkeiten, indem ich nicht mehr gegrüßt wurde oder manche die Straßenseite wechselten, mit denen ich mich bisher gut verstanden hatte. Das ist heute Gottseidank anders.
Kauz: Woran denkst du bei deiner politischen Tätigkeit am liebsten zurück?
Bine: (Denkt länger nach) … eigentlich an die ganze Zeit. Mir hat es sehr viel gebracht für das tägliche Leben – für den Blick auf alles. Ich habe viel über die Menschen und ihre Eigenschaften gelernt. Was mir als Zug‘roaste aufgefallen ist, war der Heidenrespekt vor der Obrigkeit, sobald jemand eine übergeordnete Funktion und/oder einen Titel hatte, hatten die Leute den größten Respekt und die größte Hochachtung, auch wenn das oft in der Sache nicht gerechtfertigt war. Und das ist auch oft heute noch so. Ich habe immer gelernt, dass es wichtig ist, auf die Benachteiligten zu schauen, nicht auf jene, die sich eh schon leichter tun. Das ist auch mein Politikverständnis. So wie es der Bundespräsident gesagt hat: Es geht um die »kleinste Einheit« – und das ist das Individuum. Diese Sache zu vermitteln lag mir am Herzen.
Kauz: Woran denkst du eher weniger gern?
Bine: Mich hat diese Rivalität und das Schauen auf den eigenen Vorteil gestört. Es waren auch wenige Frauen in der Gemeindevertretung. Anfangs waren wir zwei Frauen, dann waren wir mal vier Frauen, jetzt sind es wieder nur zwei … ich denke, dass eine stärkere Ausgeglichenheit einfach auch den thematischen Blick im Allgemeininteresse erweitern würde. Mir ist es leider auch nicht gelungen, mehr Frauen für diese wichtigen Aufgaben zu begeistern.
Und natürlich denke ich an die ÖVP-Lastigkeit. Die Erfahrung (meist) einer absoluten Mehrheit der Bürgermeisterpartei gegenüber zu sitzen, die einen diese Macht auch spüren lässt. Dieses Drüberfahren, v. a. in der Anfangszeit, so nach dem Motto: Ihr könnt schon reden, aber nachher stimmen wir euch ohnehin nieder. Diese teils fehlende Reife an Demokratieverständnis. Das ist vielleicht heute anders, da die handelnden Personen andere sind, aber Rückfälle in diese Unkultur gibt es leider fallweise nach wie vor. Und heute hat man leider auch manchmal das Gefühl, dass man vor Abstimmungen nicht aktiv, rechtzeitig und vollständig in allen Einzelheiten informiert wird, vermutlich mit dem Ziel, trotzdem unsere Zustimmung zu erreichen. Aber nur weil wir nicht sagen, dass wir etwas durchschaut haben, heißt es noch lange nicht, dass wir es nicht durchschaut haben … da unterschätzt uns die ÖVP auch etwas. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich Rupert (Bürgermeister Rupert Reischl, Anm.) doch sehr bemüht, die Stimmung und die Zusammenarbeit zu verbessern. Ich glaube auch, dass er unser Engagement zu schätzen weiß. Aber auch er ist natürlich in der Interessenskultur der ÖVP aufgewachsen.
Kauz: Worauf bist du stolz? Was konntest du erreichen?
Bine: Ja, eigentlich bin ich stolz darauf, dass ich erreicht habe, dass es in Koppl den KAUZ gibt. Wenn ich mich damals nicht ins Zeug gelegt hätte, gäbe es heute wohl noch immer keinen KAUZ/Die Grünen und die anderen Parteien würden weiterhin so dahinwerkeln, weil es immer schon so war. Und ich denke schon, dass wir dazu beigetragen haben, dass bei einigen Themen doch auch ein kritischer Blick herrscht und nicht nur das Interesse der Wirtschaft, des Geldes und des Bauens gesehen werden, sondern auch wie wichtig es ist, den (Enkel-)Kindern eine intakte Natur zu hinterlassen. Wenn wir heute den Klimawandel in unserer Gemeinde breit diskutieren, dann bin ich froh, dass nun auch andere erkennen, wie wichtig das Thema für die Zukunft ist. Das war und ist wichtig für Koppl.
Kauz: Was ist weniger gelungen?
Bine: Das sind die Themen, die uns leider heute noch beschäftigen: Die 380-kV-Freileitung – von der ich noch immer hoffe, dass sie so nicht kommt. Dann natürlich das Koppler Moor, Gut Guggenthal, Salzburgring. Da hätte ich mir viel, viel mehr erhofft. Aber um sinngemäß Robert Jungk zu zitieren: Politik ist ein langfristiges Geschäft, manchmal reicht die Zeit des eigenen Lebens nicht aus, die Auswirkungen seines Handelns zu erleben.
Kauz: Was war deine Motivation, 2014 wieder einzusteigen und eine Neugründung zu wagen?
Bine: Anfangs gar keine. Ich hatte ehrlich gesagt gedacht, ich würde so von Platz zehn aus von außen gute Tipps geben. Aber ich wurde dann fast schon bekniet, den ersten Platz zu übernehmen, das war mir eher peinlich. Nach langem Hin und Her, habe ich dann zugesagt. Im Nachhinein bin ich froh über diese Entscheidung, denn ich habe dann doch gespürt, dass es mir wieder Spaß macht, in einem motiverten und aktiven Team in der Gemeindepolitik mitzumachen. Es war einfach wohl auch ein gutes Zeichen nach außen, dass wir auch personell an die Tradition und den konstruktiv-kritischen Stil des KAUZ anknüpften, den es ja die zehn Jahre davor nicht mehr gegeben hatte. Dass wir 2014 dann mit vier Mandaten gestartet und auch zweitstärkste Fraktion geworden sind, hat mich dann natürlich sehr gefreut. Leider ist es uns aber auch in der Folge 2019 nicht gelungen, die Absolute der ÖVP zu überwinden. Ich denke, es wäre für Koppl wichtig, wenn sich auch die ÖVP inhaltlich Partner für Mehrheiten suchen müsste, das würde der politischen Kultur hier sicherlich gut tun.
Kauz: Warum braucht es KAUZ/Die Grünen weiterhin?
Bine: Das ist wohl die blödeste Frage überhaupt (lacht) … da braucht man sich nur umschauen. Ob das die Sache mit dem Retentionsbecken im Biotop ist, mit dem Koppler Moor, Gut Guggenthal … die Raumordnung, der Naturschutz … das weitere Zubetonieren, die Gewerbeflächen entlang der B158, der Salzburgring, die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen … ich denke, euch wird die Arbeit nicht ausgehen. Es braucht euch sogar mehr denn je: Die Gemeinde wird größer, die Projekte und Zukunftsthemen ebenfalls! Und unbedingt braucht es mehr Leute, v.a. mehr junge Leute, mehr Frauen. Wir KAUZ/Die Grünen sind und waren immer Impuls- und Ideengeber. Ideen, die zwar leider oft in der Schublade verschwinden, aber Jahre später mit anderer Urheberschaft wieder aus dem Hut gezaubert werden. Für die Idee eines Kreisverkehrs bei der Sperrbrücke bin ich z. B. vor fast 30 Jahren in der Gemeindevertretung ausgelacht worden, heute plant »die ÖVP« sogar einen doppelten …
Kauz: Was wünschst du dir für die Zukunft – für dich selber und für die Gemeinde Koppl?
Bine: Für mich geistig rege zu bleiben – und was man sich in meinem Alter üblicherweise halt sonst noch so wünscht. Für Koppl wünsche ich mir, dass man immer die Bevölkerung im Blick hat und dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Natur einfach auch öfter mal so lassen kann, wie sie ist, ohne sie wirtschaftlich oder sonst wie zu nutzen, zu »entwickeln« und zuzubetonieren.
Kauz: Danke für das Gespräch und danke für deine politische Arbeit in all den Jahren! Wir wünschen dir alles Gute und wir werden uns mit Sicherheit weiterhin rege mit dir austauschen und deine Expertise »anzapfen«.
(Interview: GV Horst Köpfelsberger)